(Nichts) Neues zum Gedenken an die Messer-Attacke vom 4. Oktober 2020

Am 4. Oktober 2023 jährt sich der Messerangriff auf ein homosexuelles Paar in der Dresdner Innenstadt zum dritten Mal. Der Oberbürgermeister hat hierzu alle Fraktionen und andere Gäste zu einer Gedenkveranstaltung in der Rosmaringasse eingeladen. Für die Dissidenten wird Fraktionsreferent Manuel Wolf (Piraten) an der Veranstaltung teilnehmen.

„Ohne Blumen, ohne Kranz, ohne Rede“, betont er. Wolf hat sich seit seiner Tätigkeit in der Fraktion mit dem Antrag der FDP beschäftigt, ein Mahnmal zur Erinnerung an die Tat zu errichten; war für die Dissidenten in der Arbeitsgruppe, die sich mit der Umsetzbarkeit eines solchen Gedenkortes beschäftigte. „Ich befürchte, dass das Erinnern auch dieses Jahr wieder von verschiedenen Parteien und Personen für eine politische Inszenierung instrumentalisiert wird.“

Wolf verweist beispielsweise darauf, wie die CDU von der Kreis- bis zur Bundesebene direkt nach der Tat verschärfte Abschieberegelungen für Geflüchtete aus Syrien forderte, oder wie die Dresdner FDP sich pressewirksam über das Fehlen des Mahnmals beschwerte, als bereits bekannt war, dass das überlebende Opfer für ein solches nicht aufgrund seiner Sexualität herhalten wolle.

Der Beschluss zum ursprünglichen Antrag der FDP (A0155/20) liegt derweil aus genau diesem Grund auf Eis. „Weil das Anliegen ein Schnellschuss war, um sich entweder bei der queeren Community in Dresden anzubiedern und/oder bei fremdenfeindlichen Klientels zu punkten, hat die FDP damals die wichtigste Frage übergangen, nämlich ob ihr Antrag im Sinne der Opfer bzw. der Hinterbliebenen war. Nach einer großen Debatte im Stadtrat, die nicht nur mehreren ausländerfeindlichen Parolen eine Bühne gab, sondern auch von Unkenntnis über LGBTQIA+ strotzte, musste man plötzlich feststellen, dass die Leidtragenden der Attacke das Mahnmal ablehnten“, ärgert sich Wolf.

Zwischenzeitlich brachte die Stadt die Vorlage V1771/22 in die Gremien des Stadtrates ein. Diese besteht aus vier Punkten. „Die Punkte 1, 3 und 4 sind mehr oder minder formal: Der Stadtrat respektiert die Aussage des Opfers und erkennt in Folge dessen, dass der Beschluss in seiner ursprünglichen Form nicht umsetzbar ist“, erklärt Wolf. „Punkt 2 jedoch ist ein Witz! Die Verwaltung schlägt trotz allem die Errichtung eines Mahnmals in Form einer Gedenktafel oder-stele vor und präsentiert dem Stadtrat eine Bedient-Euch-Liste von Worten und Wortgruppen, welche darin eingemeißelt werden könnten.“

Die Verwaltung listet in der Vorlage u.a. Begriffe wie Menschenwürde, Vielfalt, Toleranz, Ideologie, Islamismus, Extremismus, Akzeptanz oder Teilhabe auf. Passiert ist seither jedoch nichts, denn der Antrag wurde solange vertagt, bis sich der noch nicht gegründete Beirat für Erinnerungskultur dem Thema annehmen wird.

„Der bisherige Umgang mit der Tat war und ist unwürdig“, bedauert Wolf. „Wenn die Vorlage irgendwann aus der Versenkung geholt wird, werde ich meiner Fraktion dazu raten, Punkt 2 abzulehnen. Zum einen wirkt es mehr als beliebig, wenn an der Stelle ein Mahnmal entstehen sollte, dessen Text aus einer Liste von Worthülsen zusammengestückelt wurde. Zum anderen sehe ich keine Möglichkeit, ein Mahnmal an diesem Tatort aufzustellen, und gleichzeitig dem Wunsch des Opfers zu entsprechen, dessen Sexualität nicht zu thematisieren, würden wir doch diesen Zusammenhang dann buchstäblich in Stein meißeln.“

Für diesen 4. Oktober und alle kommenden hoffen Wolf und die Dissidenten, dass es ein Gedenken ohne politisches Ausschlachten geben kann.

Zur Vorlage V1771/22 + Anhang:

Zu Manuels Kommentar des Ursprungsantrags der FDP:

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