Ein Gastkommentar von Projektmitarbeiter Rainer Pietrusky
Oft werde ich gefragt, was das für eine Maßnahme sei. Und meine Antwort lautet immer gleich: Es ist gar keine Maßnahme, es ist ein Projekt. Das ist schon mal das wesentlichste Merkmal. Das Projekt richtet sich an Menschen, die sonst nur sehr wenige Chancen in ihrem Leben haben, an Drogenkranke, an Wohnungslose, an sonstige „Gestrauchelte“, aber auch an Geflüchtete, die keine Chancen haben, einer geregelten Arbeit nachzugehen. Es ist aber auch für alle anderen Menschen offen, die zeitweilig, warum auch immer, daran teilnehmen wollen (z.B. Eltern mit ihren Kindern, wenn sie nicht wissen, was sie in den Ferien noch so tun können). Und da an diesem Projekt (bis auf diejenigen, die „Sozialstunden“ ableisten müssen um nicht in den Knast zu kommen) alle freiwillig teilnehmen, d.h. ohne den Zwang, teilnehmen zu müssen und ohne irgendwelche Sanktionen, wenn sie mal nicht kommen, ist es eben keine „Maßnahme“.
Die, die teilnehmen, leisten jeden Tag einen freiwilligen, ehrenamtlichen Einsatz zur Verbesserung von Ordnung und Sauberkeit (z.B. im Alaunpark) oder zur Verschönerung des Stadtbildes und einer ökologischen Aufwertung (z.B. am Bahnhof Mitte). Sie unterstützenden den Zoo Dresden, sie helfen dem Amt für Stadtgrün und Abfallwirtschaft bei der Pflege von Grünanlagen (z.B. im Blüherpark und im Waldpark Blasewitz) und sie helfen auch mal anderen Projektträgern z.B. auf Friedhöfen oder aktuell der Jüdischen Kultusgemeinde Dresden beim Aufbau ihrer neuen Synagoge. Dafür erhalten sie eine Aufwandsentschädigung von 1,75 € je Stunde, also bei einem täglichen Einsatz von drei Stunden (mehr können die meisten von ihnen auch nicht) von 5,25 € je Einsatztag. Heißt: bei Anfahrt mit dem ÖPNV sind noch nicht einmal die Fahrkosten damit abgedeckt. Für viele von ihnen ein ganz großes Problem, denn ein Sozial-Monatsabo bekommen die meisten von ihnen nicht. Und trotzdem kommen in jedem Jahr mehr Menschen zu uns, die teilnehmen wollen. Waren es im ersten Projektjahr noch 22 Teilnehmende, die 2.309 Einsatzstunden leisteten, waren es 2021/22 bereits jeweils über 60 Teilnehmende mit jeweils ca. 15.000 Einsatzstunden. Einige Teilnehmende sind sogar schon das vierte Jahr dabei.
Insgesamt ist es in den vergangenen Jahren gelungen, für 13 Teilnehmende eine neue Perspektive zu eröffnen. Das schönste Ergebnis ist es aber immer wieder, wenn wir von Bürger:innen für unsere Arbeit gelobt werden. Das gibt den Teilnehmenden das, was sie in ihrem Leben sonst nur sehr selten erfahren: Anerkennung für ihre Leistung.
Natürlich gibt es auch Probleme. Das für uns gravierendste ist die immer unsichere Finanzierung des Projektes. Bisher förderten dankenswerterweise die Stadtbezirke Altstadt und Neustadt das Projekt. In diesem und im nächsten Jahr soll die Finanzierung aus dem städtischen Haushalt erfolgen, so die Theorie. Angekommen ist bisher noch nichts, nicht mal ein Bescheid. Zum Glück hat uns die Dresden Bevölkerung im vergangenen Jahr mit Spenden unterstützt. So werden wir wohl auch diese Durststrecke überstehen.
Generell gesehen zeigt das Projekt auch einige sozialpolitische Probleme auf. Durch seine Eigenart passt es in keinen Fördertopf so richtig und da ist es kompliziert jemanden zu finden, der sich den Hut aufsetzt (die Stadtbezirke haben es vorgemacht!). Es zeigt sich auch, dass (wenigstens bisher) die Förderpolitik der Jobcenter schlecht fokussiert ist. Bei den Projektteilnehmenden handelt es sich größtenteils um Menschen, die so, wie sie sind, nicht einfach in den Arbeitsmarkt integrierbar sind. Die meisten von ihnen wollen zwar arbeiten, sind aber objektiv gar nicht in der Lage, die Anforderungen des Arbeitsmarktes zu erfüllen. Hier fehlt ein ganz niederschwelliges Angebot, das sich mit einer „Maßnahme“ nicht realisieren lässt. Und es zeigt sich auch ganz deutlich, dass die Praxis der Sanktionen am Leben vorbeigeht. Ihr Nutzen ist gleich null. Und ein weiteres Problem begleitet uns ständig: das Thema Schwarzfahren im ÖPNV. Die meisten der bei uns Sozialstunden Ableistenden tut das zur Vermeidung einer Haftstrafe wegen „Leistungserschleichung“. Und bei den meisten von ihnen geschieht das Schwarzfahren eher wegen fehlender Mittel als aus Prinzip. Hier könnte man auch nach anderen Wegen suchen.
Wir suchen diese Wege und nicht nur beim Schwarzfahren…
Wie heisst das Projekt?
Das Projekt heißt wie der Titel des Kommentars “Chancen für die Chancenlosen”